pilot Radar: Neuer Realismus im Markenerleben

Die 44. Welle der Radar-Studienreihe zeigt, dass sich innerhalb des vergangenen Jahres die Einstellung zu Marken gewandelt hat.

08.03.2023

Unsere aktuellen Themen

  • Differenziertere Wahrnehmung von Markenstories
  • Demonstrativer Symbolkonsum verliert an Relevanz
  • Stabiles Sorgenbarometer und Zuversichtsfaktor
  • 61 Prozent für Werbeverbot von ungesunden Lebensmitteln für Kinder
  • 48 Prozent halten Regulierung der digitalen Plattformen für sinnvoll
  • TikTok-Verbot auf Arbeitsgeräten befürworten 61 Prozent

Volatile Markenwahrnehmung

Die Wahrnehmung von Marken ist volatil und wird stark von äußeren Ereignissen und Stimmungsbildern beeinflusst. Diese Erkenntnis lässt sich aus der Radar Studienreihe ablesen. So zeigt die aktuelle Welle 44, dass sich die Einstellung zu Marken im Laufe des vergangenen Jahres teilweise signifikant verändert hat. Für den Vergleich haben unsere Forscher*innen die Ergebnisse aus Welle 36 herangezogen, die Ende Januar 2022 und damit drei Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erhoben wurde.

Gesellschaftliche Verpflichtung von Unternehmen

In der aktuellen Erhebung gaben 81 Prozent der Befragten an, dass sie eine Marke nicht mehr kaufen wollen, wenn sich das Unternehmen nicht richtig oder unsozial verhält (Welle 36: 74 Prozent). Gleichzeitig erhielt mit 67 Prozent das Item „Marken sollten sich nicht in gesellschaftliche und ökologische Themen einmischen“ nun eine um zehn Prozentpunkte höhere Zustimmung.

Dass die Markenwahrnehmung derzeit im Wandel ist, zeigen noch weitere Fragestellungen: Eine sinkende Bedeutung haben etwa Lieblingsmarken, bei denen der Preis dann auch nicht so wichtig sei (64 Prozent, minus 10 Punkte). Das Statement, dass Marken ein Stück Normalität bieten, wenn die Welt gerade verrücktspielt, fiel von 61 auf 48 Prozent. Auch die Relevanz von Marken als Symbolkonsum (zeigen, was ich fühle und mir wichtig ist) hat deutlich eingebüßt (39 Prozent, minus 7 Punkte). Auf unverändert hohem Niveau lagen die Zustimmungswerte für das Statement „Bei Marken ist mir wichtiger, welche Qualität sie bieten, als welche Geschichte sie zu erzählen haben“. 85 Prozent der Befragten stimmten auch der Aussage zu, dass verschiedene Marken sich eigentlich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. (siehe Grafik 1).

Interessant: Bei den meisten Markeneinstellungen zeigen sich kaum signifikante Unterschiede nach Altersgruppen – bis auf zwei Ausnahmen: Dass sich Marken nicht in gesellschaftsrelevante Themen einmischen sollen, befürworten deutlich mehr Ältere (78 Prozent) als Junge (64 Prozent). Dagegen finden sich unter jüngeren Zielgruppen mehr Anhänger des Symbolkonsums (51 Prozent) als unter den älteren Semestern (30 Prozent).

Grafik 1

Narrative werden stärker hinterfragt

„Während der Corona-Krise wurde viel über ein ,Neues Normal’ im Konsumverhalten gesprochen. Ein Jahr nach Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine stellen wir eine Ernüchterung in Bezug auf viele, bis dahin als selbstverständlich wahrgenommenen Narrative fest“, erklärt Daniel Daimler, unser Leiter der Marktforschung. „Konsument*innen nehmen Marken heute deutlich reflektierter wahr als noch vor zwölf Monaten – nicht zuletzt auch bedingt durch eine Ausgabebereitschaft, die auf einem niedrigeren Niveau liegt als während der Jahre 2020 und 2021. Unsere Daten zeigen deutlich, dass echte Markendifferenzierung ein eher seltenes Phänomen ist und ein Spannungsverhältnis besteht zwischen dem, was Marken erzählen und welchen tatsächlichen Mehrwert sie für die Lebensrealität der Verbraucher*innen stiften.“

Stabil niedriges Sorgenbarometer

In der Wahrnehmung der medialen Themen dominiert unverändert der Ukraine-Krieg. Mit 70 Prozent ist die Relevanz zum Jahrestag noch einmal deutlich gestiegen (Welle 43: 64 Prozent). Während die Energiekrise im Augenblick an Brisanz verliert (34 Prozent, minus 6 Punkte), sind die anhaltend hohen Verbraucherpreise stärker in den Fokus gerückt (43 Prozent, plus 6 Punkte). Dabei zeigt sich, dass die Themen zur Inflation von den Befragten unter 30 Jahren mit 48 Prozent stärker wahrgenommen werden als von Personen 60 plus (38 Prozent / Grafik 2).

Das kontinuierlich abgefragte Sorgenbarometer tendiert stabil auf niedrigem Niveau, auch der Zuversichtsfaktor verändert sich zur Vor-Welle kaum. Bei der Ausgabebereitschaft ist inzwischen eine starke Polarisierung zu beobachten: knapp 50 Prozent gaben an, dass sie in den kommenden Wochen genauso viel Geld ausgeben wollen, wohingegen ebenso fast die Hälfte der Radar-Befragten plant, den Gürtel enger zu schnallen. Dabei zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen Zuversicht und Ausgabebereitschaft: Befragte, die zustimmten, dass sie zuversichtlich bleiben, „auch wenn neue Krisen kommen sollten“, sagten signifikant weniger häufig, dass sie in den nächsten Wochen weniger Geld ausgeben würden.

Grafik 2

Verbot für Lebensmittel-Werbung doch kein großer Aufreger?

Für hitzige Diskussionen in den Medien und bei den Interessenvertretungen der Werbewirtschaft hat im Befragungszeitraum Cem Özdemir gesorgt. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft hatte vorgeschlagen, Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet, zu beschränken. Immerhin 61 Prozent der Radar-Befragten fanden, dass dieses Vorhaben eher oder sehr sinnvoll sei, nur 26 Prozent hielten nichts davon. In der tiefergehenden Zielgruppenanalyse zeigten sich dabei keine signifikanten Unterschiede nach Geschlecht, Alter, Haushaltsnettoeinkommen oder Anzahl der Kinder im Haushalt. Ein deutlicher Unterschied besteht dagegen in Bezug auf die wahrgenommene Rolle von Marken im Alltag der Konsument*innen: Befragte, welche zustimmten, dass Marken ein Stück Normalität bieten „auch wenn die Welt gerade verrücktspielt“, stimmten signifikant weniger häufig zu, dass das geplante Werbeverbot sinnvoll sei.

Fast zwei Drittel befürworten das TikTok-Verbot der EU

In Welle 43 hatte pilot Anfang Februar bereits die Relevanz des Themas Künstliche Intelligenz abgefragt. Diesmal wurde das Meinungsbild zu zwei weiteren aktuellen Fragestellungen aus dem Digital-Kosmos eingeholt: Die von der UNESCO geforderte Regulierung von digitalen Plattformen sowie das Verbot der TikTok-Nutzung auf den Arbeitsgeräten von EU-Mitarbeitenden. Das Interesse an Digital-Themen ist generell eher mäßig. Allerdings hielten 48 Prozent der Befragten die Regulierung der Digital Giants für sinnvoll. Das TikTok-Verbot befürworteten dagegen 61 Prozent. Wie bereits bei der KI-Abfrage der Vor-Welle zeigte sich eine klare Korrelation zwischen der Relevanz dieser Digital-Themen und Bildung. Kurz: Je höher der Bildungsgrad, desto eher bilden sich die Befragten eine Meinung zu diesen Themen (Grafik 3).

Grafik 3

Empfehlungen für die Markenkommunikation

„Der ,Neue Realismus’ im Markenerleben der Verbraucher*innen bedeutet für Marken die verstärkte Notwendigkeit einer ehrlichen Reflektion, welche Rolle sie im Alltag der Menschen spielen und auf welche Weise sie Mehrwert stiften können“, so Daniel Daimler. „Die Authentizität einer Marke ist mehr als nur ein narrativer Weichzeichner, sie ist kein atmosphärisches Nice-to-have. Vielmehr ist sie eine strategische Entscheidung dafür, Markenversprechen mit konkreten Inhalten zu füllen – und nicht nur mit Content.“

Kontakt

Daniel Daimler
Leiter Marktforschung

+49 (0)40 30 37 66-209 +49 (0)40 30 37 66-209
d.daimler(at)pilot.de

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