Ausblick Mediaplanung 2021

Unsere Geschäftsführerin Martina Vollbehr verrät, worauf wir uns als Agentur in Sachen Mediaplanung einstellen

Quo vadis Mediaplanung?

Corona hat auch in der Mediaplanung den Wandel weiter beschleunigt. Doch welche Veränderungen von 2020 werden auch 2021 noch nachhallen? Wie stellen sich Mediaagenturen auf die veränderten Anforderungen von Kunden wie auch Medienkonsumenten ein und wie werden neue KI Technologien die Mediaplanung verändern?

Diese und mehr Fragen stellte sich die MEEDIA Ausgabe #10-2021 in ihrem Mediaplanungsspecial. Bei den sieben hierzu befragten Mediaagenturen kam dabei auch unsere Geschäftsführerin Martina Vollbehr zu Wort. Wir haben die Antworten in voller Länge hier noch einmal zusammengefasst.

Das ganze Jahr über war bei den Kunden und Vermarktern eine tiefe Verunsicherung zu spüren. Wir alle haben uns sehr kurzfristig auf wechselnde Szenarien einstellen müssen, denn die Mediennutzung hat sich teils gravierend und vor allem sprunghaft geändert. Damit wiederum waren Zeitreihenvergleiche gegenüber dem Vorjahr und Prognosen auf Basis von „althergebrachtem“ Wissen kaum mehr möglich. Wir mussten weit kurzfristiger planen und parallel dazu auch viel kurzfristiger forschen. Aus diesem Grund haben wir schon Ende März des vergangenen Jahres unsere Studienreihe pilot Radar ins Leben gerufen, um unseren Kunden eine Empfehlung für die situationsbezogene Aussteuerung ihrer Kommunikationsstrategien an die Hand geben zu können.

 

Es war aber nicht nur eine veränderte Mediennutzung zu verzeichnen, sondern vor allem – notgedrungen – eine massive Veränderung im Kaufverhalten der Verbraucher, die natürlich viel digitaler geworden sind. Daran mussten sich die Werbetreibenden mit ihren Kampagnen in Tonalität und Timing erst einmal anpassen.

Wir haben schnell reagiert und uns mit dem pilot Radar schon frühzeitig eine eigene Datengrundlage aufgebaut, die uns die wichtigsten Indikatoren dafür liefert, welche Strömungen die Konsumstimmung aktuell beeinflussen und wie darauf aufbauend die Kommunikation gestaltet sein muss. Eines der zentralen Ergebnisse war beispielweise, dass eine Ausrichtung am „Wir“ oder am „Ich“ zu entscheidenden Polen innerhalb der aktuellen Konsumententypologie geworden ist. Das hat einen entsprechenden Einfluss darauf, wie die jeweilige Zielgruppe einzelne Kommunikationsmaßnahmen wahrnimmt. Situative Haltungskampagnen zum Beispiel sind weit erfolgreicher bei Zielgruppen, die ein stärkeres kollektives Grundmotiv haben, also das „Wir“ in den Vordergrund stellen.

 

Generell gilt: Ein „business as usual“ gab es 2020 nirgendwo. Wir mussten flexibler agieren und gewohnte Prozesse verlassen, was dazu geführt hat, dass wir bei pilot heute noch einmal deutlich agiler arbeiten. Konkret sah das so aus, dass wir Prozesse in Mediaplanung und in der Umsetzung sehr viel stärker modular ausrichten, oftmals schnellere, pragmatische Lösungen aufsetzen und uns auf grundlegend wirkungsrelevante Maßnahmen zurückbesinnen mussten. Dabei liefern uns kurzfristige Test- and Learn-Ansätze eine gute Orientierung, wenn Datenmaterial der Vorjahre nur schwer anwendbar ist. Mit diesen Ergebnissen können wir die Kampagnen danach entsprechend skalieren.

Schon im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, in welchem unvorhergesehenen Ausmaß der Markt im Umbruch ist. Deswegen müssen wir noch enger in den Dialog mit unseren Kunden treten, mit ihnen in – virtuellen – Roundtables und mit allen Stakeholdern gemeinsam die besten Lösungen erarbeiten. Nachdem sich während der Pandemie Mediennutzung, Käuferverhalten und vieles andere so eklatant verändert hat, müssen wir die Datenbasis der Vorjahre abwägend einordnen und dabei nicht nur Corona-Effekte, sondern auch reguläre saisonale Schwankungen berücksichtigen. Neben Daten und Modellierungen tritt damit automatisch die Beratung durch langjährig erfahrene Experten wieder stärker in den Vordergrund. Unsere Aufgabe besteht derzeit also eher aus situationsbezogenem Senior Consulting als aus operativer Arbeitsroutine.

Das sind ja zum Teil nur Momentaufnahmen gewesen, das Nutzerverhalten hat sich ja nicht notwendigerweise langfristig verändert. Für uns heißt das, dass wir das aktuelle Verhalten der Nutzer noch engmaschiger verfolgen müssen – wenn es sein muss, jeden Tag, jede Woche – und gegebenenfalls die Planung situativ darauf anpassen.

 

Was sich aus unserer Sicht allerdings nicht verändert hat: die Faszination für Bewegtbild. Die Nutzung steigt kontinuierlich, egal auf welchem Screen. Das TV-Lagerfeuer wird immer wieder neu entfacht – für linearen und non linearen Konsum. Der Zuschauer switcht wie selbstverständlich zwischen unterschiedlichen Nutzungsmotivationen. Dem gilt es zu folgen.

 

Gleichzeitig haben die traditionellen Medienmarken, und hier besonders auch die Tageszeitungsmarken, in der Corona-Krise ihren Vorsprung an Glaubwürdigkeit stark ausspielen können und in Zeiten eines irrationalen US-Wahlkampfs und ausufernder Verschwörungstheorien wieder etwas mehr an Bedeutung gewonnen.

Die digitale Fragmentierung hat schon vor Corona stetig an Bedeutung gewonnen, aber die Entwicklung hat sich nun noch einmal beschleunigt. Für uns heißt das, dass wir beständig berücksichtigen müssen, welche Touchpoints relevanter geworden oder sogar neu hinzugekommen sind. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass auch ältere Personen immer öfter online einkaufen – was uns eine neue Ansprache eröffnet.

 

2020 war zudem geprägt vom Siegeszug der Streaming-Angebote – werblich direkt nutzbar für Reichweite und Kontaktintensivierung und andererseits Lieferant für Strukturinformationen. Über unser DoublePlay-Tool sehen wir, welche Nutzergruppen sich beispielsweise stärker auf Netflix und Co. aufhalten und somit an anderer Stelle angesprochen werden müssen, um nicht an Wirkung einzubüßen.

 

Was bleibt und sich immer weiter verstärkt: Auf die Ausschöpfung der crossmedialen Reichweite kommt es allein nicht an. Wir müssen die Reichweite der einzelnen Kanäle und Medienmomente mit den richtigen Daten vergleichbar machen, um dann anhand aussagekräftiger und transparenter Zahlen die beste Lösung für die jeweiligen KPIs finden. Das ist unsere Aufgabe in den kommenden Wochen und Monaten – ganz unabhängig von Corona.

Kein Zweifel, darauf müssen wir uns einstellen und unseren Betrachtungswinkel künftig anders justieren. Wir werden uns wieder verstärkt auf First Party-Daten und externe Daten stützen und transparenter mit den Nutzern kommunizieren müssen. Wenn wir ehrlich sind, haben wir mit den 3rd-Party-Cookies auch nicht immer den Erkenntnisgewinn innerhalb der Wirkungsforschung erzielt, den wir uns vielleicht gewünscht hätten. Denn auch hier sind wir an vielen Walled Gardens und Blackboxes gescheitert. Vieles in der Kette blieb nach wie vor lückenhaft. Nur weil etwas messbar ist, ist damit noch lange keine allumfassende Erkenntnis gewonnen. Aber, da können Sie sicher sein, wir werden gangbare Wege finden, um in Zukunft mit zuverlässigen Daten konkrete Wirkungsergebnisse belegen zu können.

Dank unseres DoublePlay-Ansatzes sind wir schon sehr lange in der Lage, bei den Kampagnen spezifische Nettoreichweiten übergreifend auszuweisen und auch zu planen. Unser Datenmaterial wird allein dadurch beständig differenzierter, dass die relevanten Reichweitenflächen mess- und steuerungstechnisch immer stärker erschlossen werden. Nehmen Sie allein die Vorteile, die die immer größere Haushaltsabdeckung mit Connected-TV-Geräten mit sich bringt. Cross-Device-Ansätze ermöglichen ein übergreifendes Kontaktklassen-Management über alle Screens hinweg. Und nicht zuletzt haben wir durch die Programmatic-Technologien eine Möglichkeit an der Hand, auch vermarkterübergreifend Reichweiten darzustellen.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollte für eine Mediaagentur heute selbstverständlich sein. Wir nutzen diese für zweierlei Aufgabenfelder – in der Planung von Performance-Kampagnen und in der Wirkungsmodellierung. Im Performance-Marketing existiert ja ohnehin schon eine komfortable Datengrundlage, auf der wir dann automatisierte Attributions- und Prediction-Modelle aufsetzen können. In der Wirkungsmodellierung greifen wir auf verschiedene Machine-Learning-Ansätze zurück, wie beispielsweise Random Forest Regression, Ridge Regression oder Long Short Term Memory Neuronale Netzwerke. Damit können wir zum Beispiel mit Context- oder Umfeldvariablen die Veränderungen von Zielgrößen wie etwa Brand-Awareness vorhersagen.

Eine Kampagne gelingt nur im kompetenten und vertrauensvollen Zusammenspiel aller Beteiligten. Auch wenn ich es vielleicht schon gesagt habe: Der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg besteht darin, dass sich alle Stakeholder über die genauen Ziele der Kampagne einig sind, also auch darüber, wie stark sich ein jeweiliger KPI verändern soll. Dies können wir dann exakt bemessen und so gemeinsam die Kampagne aussteuern.

 

Aber unser Ansatz geht noch einen Schritt über die klassische Mediaplanung hinaus. Wir setzen an den unterschiedlichsten Stellen der Wirkungsanalyse an. Mit unserem Impact Score untersuchen wir kundenspezifisch das Zusammenspiel aller Kampagnen-Bausteine. Das heißt für uns auch, dass wir nicht nur an den Stellschrauben zur Optimierung der Reichweite drehen, wir untersuchen auch den Einfluss der Kreation auf das Gesamtergebnis. Außerdem können wir mit Live-Tests vor dem Kampagnenstart eruieren, welche Erfolge einzelne Kreations- und Platzierungsvarianten im Zusammenspiel mit der richtigen Kontaktdosis bringen. So können wir, je nach Budget, schon ziemlich treffsicher das Ergebnis vorhersagen.

Die reine (vorgelagerte) Marken-Strategie liegt dabei meist nicht in unseren Händen, sondern in denen anderer Agenturpartner. Ein gemeinsames Verständnis aller Stakeholder darüber, wohin sich eine Marke entwickeln soll, ist jedoch unabdingbar.

Da wollen sich leider die wenigsten Werbetreibenden so genau in die Karten schauen lassen. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass es zum Teil schnelle und abrupte Richtungswechsel gab, und nicht nur von uns viel Flexibilität gefordert wurde. Aber natürlich sind solchen Strategiewechsel in der Kommunikation auch natürliche Grenzen gesetzt – es ist nun mal nicht so einfach, eine Kampagne mal eben kurzfristig neu auszurichten, eine Positionierung anzupassen, neue Visuals zu produzieren und diese dann mit einem aktualisierten Mediaplan zu streuen.

Meines Erachtens sind es mehrere Einflüsse, die derzeit auf die Mediaplanung einwirken. Wir müssen der nochmals beschleunigten Digitalisierung und Fragmentierung Rechnung tragen und das Zusammenwachsen von digitalen und analogen Medien berücksichtigen, die von einem Konkurrenzsystem zu einem Gesamtkomplex zusammenwachsen mit einer Unmenge an starkem Content und guten Umfeldern, die wir werblich immer gezielter nutzen können.

 

Aber was wir nicht unterschätzen dürfen ist, wie sehr sich nicht allein die Nutzung, sondern auch die Einstellung der Konsumenten wandelt. Die Polarisierung der Gesellschaft ist kein Phänomen, das erst während der Pandemie zu beobachten ist. Corona – das hat die Studienreihe pilot Radar in den letzten 11 Monaten gezeigt – hat die allgemeinen gesellschaftlichen Strömungen nur verstärkt. Diese Trennlinien zwischen den Zielgruppen werden uns durchaus langfristig erhalten bleiben: Wie kollektiv oder individuell orientiert jemand handelt und wie er seine sozioökonomische Situation einschätzt. Das gilt es für die zukünftige Mediaplanung stärker zu berücksichtigen.

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Martina Vollbehr

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