Social wird shoppable und Shopping wird social

Strategie-Experte Chris Schneider wirft einen Blick auf den asiatischen Social-Media-Markt

30.01.2020

Shopping und Social Media – ein perfektes Paar

Social Media hat sich seit den ersten großen Netzwerken Anfang der 2000er bis heute massiv verändert. Aus Interaktionsplattformen und dialogorientierten Communities sind Massenmedien mit enormen Reichweiten geworden.

Zur Einordnung der fortlaufenden Entwicklung: Laut Facebook sind weltweit täglich 1,6 Mrd. Nutzer auf der Plattform und in Deutschland 23 Mio. Nutzer aktiv. Instagram ist mit 15 Mio. aktiven Nutzern ebenfalls extrem reichweitenstark, Kanäle wie Pinterest (6-7 Mio. aktive Nutzer) entwickeln sich stetig weiter und es kommen neue Player wie TikTok auf den Markt. Ganz zu schweigen von Messengern als Social Media im erweiterten Sinne.

Die Netzwerk-Prozesse

Das zugrundeliegende Geschäftsmodell liegt im Aufbau von Reichweiten und der intensiven werblichen Vermarktung der Nutzer-Reichweite und der Nutzer-Daten. Dabei durchlaufen die Netzwerke stark vereinfacht immer ähnliche Prozesse:

  • Aufbau von Reichweiten mit Community-Ansätzen und einem Fokus auf Content
  • Erhalt von Reichweiten durch technische und inhaltliche Weiterentwicklung der Plattform
  • Paralleler Aufbau von Vermarktungsmodellen für Werbetreibende
  • Monetarisierung und Ausbau der Plattform (hier werden Messenger noch deutlich weniger bespielt als die Social Plattformen an sich)

Aus werblicher Sicht besonders wichtig ist dabei die kanalgerechte Aufbereitung von Werbemitteln, um Produkte ideal für den Kanal und seine bevorzugte Nutzungsform zu inszenieren. Werbung muss dabei auffällig sein, darf sich aber nicht zu sehr von User-Generated-Content unterscheiden und muss auf mobile Endgeräte abgestimmt werden, denn auf dem Smartphone findet die hauptsächliche Nutzung statt.

Dabei wird Werbung bislang über Sichtkontakte in Display und Video distribuiert. Der Vorteil gegenüber klassischen Massenmedien ist nach wie vor, dass Nutzer datenbasiert sehr gezielt entlang ihrer Interessen adressiert werden können und eine Rückkanalfähigkeit besteht, Nutzer also mit Marken interagieren können.

Das ist soweit die Welt, in der sich Werbungtreibende heute bereits bewegen und die sich mit Blick auf Budgetverlagerungen gegenüber klassischen Medien (auch digitalem Display) etc. deutlich verändert.

Nun stellt sich die spannende Frage, was kommt als nächstes, was wird der nächste Evolutionssprung in Sachen Social? Die Antwort ist mit Blick auf die asiatischen Märkte als aktuelle Taktgeber für neue Ideen denkbar einfach: Plattformausbau in Richtung „E-Com“, also Shopping und im erweiterten Sinne auch Services.

Dazu gibt es seit längerem kleinere Entwicklungen wie z.B. Facebooks Vorstoß in den Bereich Kleinanzeigen via Marketplace und brandneu so genannte „Shoppable Ads“, die sich auf unterschiedlichen Plattformen immer wieder in ähnlichen Formen wiederfinden. Das Besondere ist, dass Produkte und Informationen direkt im Werbemittel zum Kauf verfügbar gemacht werden, eine katalogartige Anmutung haben können oder auch in „Brand-Stories“ Produkte mit direkter Shoppinganbindung inszeniert werden.

Dabei werden nicht nur Produkte gezielt beworben und damit shoppable gemacht, sondern es werden dem User auch ähnliche Produkte via Empfehlungen und Suche angeboten. Hier kommt der Datenschatz der sozialen Medien zum Tragen. Durch höhere Relevanz beim Nutzer kann dank Interessen-Targeting die Zielgruppe sehr genau ausgesteuert werden. Gleichzeitig sinken durch die neuen Werbeformen Hürden in Richtung Direktkauf, denn die Produkte sind direkt zugänglich.

Keine Grenzen

Gleichzeitig gibt es die Tendenz, dass Influencer eigene Shops aufsetzen, die wiederum in sozialen Medien  gepusht werden. Neben eigenen Produktlinien oder Brands wie „Bilou“ entstehen aber auch Shops in denen Influencer die Produkte großer Brands in einem Affiliate System vertreiben, wie das z.B. über den Adidas „Creators Club“ der Fall ist.

Wir glauben, dass diese Entwicklung weitreichende Implikationen für die Zukunft haben wird, denn die Grenzen zwischen Content-, Shop- und Werbeflächen lösen sich so zunehmend auf.

Social wird also gewissermaßen shoppable und Shopping wird social.

Wie die Evolution von Social Media dabei mittelfristig weitergehen kann, lässt sich mit Blick auf Asien erahnen. Die dort entstandenen digitalen Ökosysteme wie „We-Chat“ sind als Plattformen so allumfassend geworden, dass sie zu einer Art Betriebssystem für den Alltag agieren. Dort ist nicht nur Shopping möglich, sondern auch die Nutzung einer Vielzahl von Services wie Banking, Behördengänge, Arztbesuche, Payment etc.

Nun wird sich der deutsche Markt mit seinen starken bestehenden Infrastrukturen und Business-Modellen nicht ganz so schnell und drastisch verändern, wie sich das manche digitalen Köpfe gerne wünschen. Es lassen sich aber einzelne Trends gerade mit Blick auf das Kaufverhalten identifizieren, die sich auch bald im deutschen Markt zeigen können und damit Potenzial für hiesige Werbungtreibende zeigen:

  1. Social wird grundsätzlich shoppable.
  2. Die Darbietungsform in klassischen Shops wird contentlastiger und nähert sich stärker an Social Media an.
  3. Video wird wichtiger für E-Commerce.

Wie bereits erwähnt, gehen die Netzwerke Schritte, um stärker zu E-Com-Plattformen zu werden. Vorbilder sind dabei chinesische Anbieter wie Little Red Book (Xiaohongshu).

Little Red Book bietet seinen Nutzern das komplett integrierte Setting für Shopping und das Erstellen von eigenem Content rund um E-Com-Produkte.

Wie das aussehen kann, wird hier näher betrachtet und anschaulich dargestellt. Das Beispiel zeigt, dass Shopping in Social Media ganz anders aussieht als aktuell auf Amazon und Co, nämlich weniger funktional und mehr wie Social Media.

Ein weiterer Trend ist das Thema Livestream-Shopping – eine spezielle Art von Influencer-Shopping, bei dem im großen Stil durch Live-Streamer Produkte gezielt verkauft werden, aber auch Brands, die ergänzend zu klassischer Produktinszenierung ihre Produkte in einer Art Teleshopping verkaufen.

Die Produkte werden auf diese Weise nahbarer und deutlich stärker in Content integriert dargestellt. Ein Produkt wird also direkt zugänglich über Content bzw. teilweise entsteht Content ausschließlich um das Produkt herum.

Werbliche/kommunikative Inhalte lassen vertriebliche Ansätze und Produkt zunehmend miteinander verschmelzen. Je besser das Produkt zum Inhalt passt und anders herum, desto stärker müssen Produkt, Werbung und Distribution gemeinsam gedacht werden.

Als Systematik klingt das banal, birgt aber, sowohl in Social Media als auch in klassischen Shops oder in klassischer Werbung gedacht, enormes Potenzial für wirksamere Werbung.

Ein Beispiel für Livestream-Shopping
Die Herausforderung

Das bedeutet veränderte Herangehensweisen für Agenturen, Werbungtreibende und vermarktende Plattformen. Alleine auf Seite der Werbungtreibenden entsteht die Anforderung an Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung in Zukunft noch enger zusammenzurücken und noch stärker gemeinsam an integrierten Konzepten zu arbeiten. Von einer notwendigen engeren Einbindung der Kreativ- und Mediaagenturen in einen übergeordneten strategischen Konzeptionsprozess für Marken und deren Produkte ganz zu schweigen.

Dabei muss der Konsument mit seinen Bedürfnissen immer im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehen. Denn wenn ein (neues) Produkt keinen konkreten Zweck für ihn besser erfüllen kann als ein anderes (bereits vorhandenes), dann besteht kein Bedarf an Produkt, Distribution oder Werbung dafür. Gleiches gilt, wenn eine Marke nicht in der Lage ist, solche Mehrwerte ganzheitlich an allen Touchpoints auf glaubwürdige Art und Weise kommunikativ zu transportieren.

Spannend wird dieses integriert gedachte Konzept zu dem Zeitpunkt, an dem Marken sich nicht nur inhaltlich im Zusammenspiel mit ihren Agenturen anders aufstellen, sondern wo immer möglich direkten Response ihrer Konsumenten nutzen, um die eigene Markenwelt noch zielgerichteter auf die Konsumenten abzustimmen. Social Media bietet hier enorme Potenziale, um basierend auf Käufen als direkte Response-Form Daten zu erschließen, mit denen Produkt, Vertrieb und Kommunikation noch engmaschiger aufeinander abgestimmt werden können.

„Werbliche/kommunikative Inhalte verschmelzen vertriebliche Ansätze und Produkt zunehmend miteinander. Je besser das Produkt zum Inhalt passt und anders herum, desto stärker müssen Produkt, Werbung und Distribution gemeinsam gedacht werden.“
Christian Schneider, Direktor Strategie & Beratung
Das strategische Zusammenspiel von Media und Kreation für integriert gedachte Produkt-/Markenkonzepte

Kontakt

Chris Schneider
Geschäftsführer TwentyFive

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